Wer sollte unterrichten?

Aus „Aquapädagogik – früh, sicher und vielseitig schwimmen“

Vorweg das klare Bekenntnis: Grundsätzlich können nicht nur Fachleute, sondern auch Eltern ihre Kinder an das Wasser heranführen!

Eltern sollten es tun, weil es für sie und für das Kind ein Riesenerlebnis ist, diesen Lernprozess gemeinsam zu erfahren. Wer ein dauerhaftes, inniges Vertrauensverhältnis zu seinem Kind weiter festigen beziehungsweise aufbauen möchte, findet hier eine der besten Gelegenheiten. In der familiären Obhut an das Element Wasser herangeführt zu werden, es behutsam zu erforschen, um es später sicher zu beherrschen, sich darin wohlzufühlen und dort in jeder Situation zu Hause zu sein – das können prägende Erlebnisse für beide Seiten sein. Auch und gerade mit bereits drei- bis fünfjährigen Kindern, die bislang kaum Wassererfahrung haben. Dazu muss man keinesfalls als ehemaliger Sportschwimmer bekannt sein, benötigt weder Urkunden, Medaillen, Schwimmabzeichen noch spezielle pädagogische Ausbildungen. Es reicht die Mitgliedschaft in der Liga der bewussten, verantwortungsvollen, vorausschauenden, liebevollen und damit vollkommen normalen Eltern! Beispiel: Auch unser großes Schwimmschulteam besteht inzwischen vorwiegend aus Eltern, die über die Kursteilnahme mit ihren Kindern zu uns gekommen sind.

Also nur Mut:

Wer selbst mit dem Wasser per Du ist, sollte sich nach einer geeigneten Übungsstätte umsehen, eventuell vor dem Start vom Kinderarzt das Okay holen und nach einer persönlichen Vorbereitung steht dem Start ins nasse Element nichts mehr im Wege. Mit der persönlichen Vorbereitung ist hier neben den üblichen organisatorischen Überlegungen vor allem gemeint, dass die Eltern sich zuvor in einer stillen Stunde selbst beleuchten, kritisch ihre eigenen Fähigkeiten und Eigenschaften, den bisherigen Erziehungsstil und Ihre Akzeptanz als Vertrauensperson bzw. Autorität bedenken sollten. Hilfreich ist sicherlich, in Gedanken viele alltägliche aber auch neue, kritische oder gar gefährliche Situationen aus der eigenen und aus Sicht des Kindes durchzuspielen.

Wer hier deutlich an seinen Fähigkeiten zweifelt, sollte deshalb keineswegs gleich aufgeben. Man schiebt den Start noch ein wenig hinaus und nutzt die Zeit zur intensiven mentalen Auseinandersetzung mit dem Metier. So kann man immer wieder im Geiste kritische Momente durchleben und versuchen, nach und nach ruhiger, angemessener, kindgerechter und damit erfolgversprechender auf Konflikte zu reagieren. Wer sich dann immer noch nicht ganz sicher fühlt, muss auch nicht verzweifeln. Man hat den großen Vorteil, sich nun intensiv mit dem Schwimmlehrgang seines Kindes befasst zu haben, das eigene Kind natürlich besser als alle anderen zu kennen und ihm damit sicherlich rundherum gute Startbedingungen bieten zu können. Ich bin überzeugt, dass engagierte – mit Bedacht, Überzeugung und direktem Körperkontakt agierende – Eltern, denen es dafür gelegentlich an Sachverstand mangelt, immer noch bessere Lehrmeister sind, als alle unmotivierten, desinteressierten so genannten Fachleute.

Doch so sehr ich auch das familiäre Unterrichten favorisiere (und hoffentlich mit dieser Arbeit einige Eltern dabei unterstützen kann), ich bin Realist und weiß daher nur zu gut, dass oftmals selbst noch so viel guter Wille und eigenes Können nicht ausreichen, um das angestrebte Ziel wunschgemäß zu erreichen. Unzählige gute Vorsätze werden leider auch in diesem Bereich häufig von alltäglichen Zwängen zunichte gemacht.

Und auf die Erkenntnis der Eltern, diesen für die Kinder so wichtigen Schritt aus unterschiedlichsten Gründen nicht mit ihnen gemeinsam gehen zu können, folgt automatisch die nächste, ebenso verantwortungsvolle Entscheidung. Es gilt, ein geeignetes Schwimmkurs-Angebot zu finden, bei dem man sein Kind einem zunächst „Fremden“ überlassen muss! Da ist es ein großes Glück, durch Empfehlung anderer Eltern von guten Angeboten zu erfahren. Wer dann noch kurz die allerwichtigsten Punkte zum Unterrichtsgeschehen „abklopft“ kann sich weitere Nachforschungen sicherlich sparen.

Beim Anfangsschwimmen sollte ein Kursleiter

  • den Entwicklungsstand der Kinder sicher einschätzen können und ein Angebot entwicklungsgerechter Übungen parat haben.
  • Abweichungen in der Entwicklung (z. B. Wahrnehmungsstörungen) erkennen und Übungen entsprechend der unterschiedlichen Entwicklungsstadien individuell modifizieren.
  • Lerngruppen leiten und motivieren, grundsätzliche Zielvorgaben und längerfristige Unterrichtskonzepte entwickeln.
  • Stundenschwerpunkte und notwendige Abweichungen kindgerecht formulieren und begründen können – und diese auch vor den Eltern vertreten.
  • notwendige Verhaltensregeln aufstellen, das Regelwerk selbst beachten und vorleben, um dadurch den Kindern Sicherheit zu vermitteln.
  • das Spannungsfeld Über- und Unterforderung erkennen und nutzen, sowie auf aktuelle Erfordernisse eingehen.ein offenes Ohr für die Probleme der Kinder haben und bereit sein, eine Schiedsrichterrolle zu übernehmen.

Weil hier oftmals eine lebenslang wirksame Entscheidung gefällt wird, die darüber hinaus die Grundeinstellung zum Schwimmen, dem Sport- und Freizeitverhalten sowie einer gesunden und körperbewussten Lebensführung prägen kann, empfehlen wir hier eine gründliche Prüfung und im Zweifel einen vorherigen Besuch der Einrichtung.

Aber was ist zu tun, wenn kein geeignetes Angebot bekannt ist? Wo ist mein Kind am besten aufgehoben? Scheinbar erübrigen sich diese Fragen für all diejenigen, die z. B. auf dem „platten Land“ wohnen und froh sind, dass sie zumindest ein Schwimmbad in akzeptabler Nähe haben.

Ein Schwimmbad heißt jedoch meist nicht automatisch auch ein Angebot in Sachen Schwimmunterricht. In den meisten Schwimmbädern konkurrieren neben den Schwimmmeistern oft mehrere Sport- und Schwimmvereine, DLRG, Wasserwacht oder Volkshochschule. Und lebt man in den Ballungsgebieten, findet man dank mehrerer Schwimmbäder im Umkreis ein entsprechend größeres Angebot und zusätzlich die ein oder andere private Schwimmschule. Dazu nachfolgend ein paar weitere Entscheidungshilfen:

Man sollte Sie als potenziellen Kunden wie in jedem anderen Dienstleistungsbereich freundlich empfangen und kompetent beraten. Wer sich als lästiger Störenfried behandelt fühlt, läuft Gefahr, dass es seinem Kind ähnlich ergeht.

Wenn dort für den Einstieg keine starren Altersregelungen gelten, sondern vielmehr der momentane Entwicklungsstand der Kinder ausschlaggebend ist, sind Sie bereits auf der richtigen Seite. Und gewährt man Ihnen Einblick ins Geschehen, ohne die Übenden zu stören – noch besser! Hier ist man sich seiner Sache sicher.

In anderen Fällen ist Vorsicht geboten: Wer sich nicht in die Karten schauen lässt, obwohl es die baulichen Gegebenheiten zuließen, sollte besonders aufmerksam befragt werden. Wenn es möglich ist, schauen Sie sich die Übungsstätte, die Lehrer/Übungsleiter und vor allem die kleinen Nichtschwimmer an: Bewegen sich die Kinder im Wasser und an Land entspannt, locker und freudig oder auffallend ängstlich und verkrampft?

Müssen die Schüler eher in ihrem Tatendrang gebremst werden oder stehen womöglich gleich mehrere zitternd mit vorgezogenen Schultern und gekreuzten Armen und Beinen herum und versuchen sich zu „drücken“? Wenn Sie etwas mehr Zeit haben, beobachten Sie, ob durch rechtzeitige neue Aufgabenstellung keine Monotonie aufkommt bzw. ob die altersgemäß beschränkte Konzentrationsfähigkeit der Kinder berücksichtigt wird, ohne dass der Eindruck von Aktionismus oder gar Hektik entsteht. Die Lehrer/Übungsleiter sollten Sie vor allem daran messen, wie sie mit den Kindern umgehen. Wenn die Kinder vertrauensvoll auf „die Großen“ zugehen, ist hier das Wesentliche in Ordnung! Wenn das auch die ängstlichen, zurückhaltenden Kinder tun, wissen Sie, dass ihre Probleme primär von der Wassertemperatur oder der Atmosphäre und weniger vom Lehrer zu verantworten sind. Versuchen Sie zu ergründen, ob die Kinder regelmäßig von einer Bezugsperson unterrichtet werden. Häufige Wechsel, z. B. durch Schichtbetrieb verkraften viele kleine Kinder nur sehr schwer. Das Lerntempo Ihres Kindes könnte deutlich gebremst werden, weil die notwendige Vertrauensbasis zum Lehrer als Folge der Verunsicherung durch den häufigen Bezugspersonenwechsel kaum entstehen kann.

Fragen Sie die Eltern der gerade schwimmenden Kinder, ob der Lehrer in den ersten Kursstunden mit den Kindern ins Wasser geht und sich dabei besonders um die Zaghaften kümmert. Wenn Sie von erzwungenen Mutproben (Springen und Tauchen) gleich zu Kursbeginn erfahren, seien Sie sehr vorsichtig! Hier wird die Psyche der zögerlichen Kinder oft schnell überfordert. Schätzen Sie Ihr Kind also zuvor richtig ein!

Übrigens ist ein im späteren Kursverlauf „draußen“ am Beckenrand stehender Lehrer nicht automatisch ein „fauler Sack“. Von oben hat man den besseren Überblick, man kann von dort aus das wichtige Geschehen unter Wasser in seinen Einzelheiten ungleich besser beobachten. Ferner sollen die Kinder ja gerade auf den Weg zum eigenständigen Schwimmen gebracht werden. Sie müssen jedoch sicher sein können, dass der Lehrer ständig bereit und gewillt ist, ihnen im Wasser direkt zur Hilfe zu kommen, ihnen also jederzeit die nötige Sicherheit bietet.

Besonders jene Eltern, die selbst im Wasser sehr zaghaft oder ängstlich sind und daher ihre Kinder mit großer Wahrscheinlichkeit unbewusst in diese Richtung prägten, haben den Wunsch, dass ihre Kinder es „besser haben sollen“. Sie sollten sich darum vor dem Schwimmlehrgang ihrer Kinder ganz besonders eingehend informieren und ein Angebot wählen, in dem (fast) alles stimmt. Dort wird man sich für sie schon bei der ersten Beratung genug Zeit nehmen, wird ihre Vorbehalte und Ängste verstehen und ernst nehmen, wird ihnen Mut machen und ihnen den glaubhaften Eindruck vermitteln, dass man über das reine Schwimmen hinaus die Gesamtentwicklung und Psychologie der Kinder versteht und berücksichtigt. Außerdem wird man den Eltern einige Ratschläge zum vorbereitenden häuslichen Umgang mit dem Schwimmkurs ihrer Kinder geben und auch auf das elterliche Auftreten im Zuschauerbereich eingehen.

Man wird ihnen deutlich machen, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind und dass diese nicht immer sofort, aber in jedem Fall mit Geduld gelöst werden können. Man wird sie mit Informationsmaterial versorgen, sie zu einem vorherigen Elternabend einladen oder gar eine kostenlose Probestunde anbieten und danach den weiteren Weg mit ihnen besprechen.

So eine Probestunde, die in unserer Schwimmschule zwischen 20 bis 30 Minuten dauert, bietet folgende Vorteile:

  • Beide Seiten, Eltern und Kinder sowie der Lehrer haben die Chance, sich gegenseitig kennenzulernen und sich vorab von der Richtigkeit einer verbindlichen Entscheidung zu überzeugen.
  • Läuft die Probe gut, ist der „echte Start“ für beide Seiten lockerer und leichter. Besonders von den Ängstlichen wird so eine Menge Druck genommen.
  • Geht die Probestunde daneben – meist wegen Schwierigkeiten bei der Loslösung, die sich als „Ich geh aber nicht ohne Mama“ artikulieren – kann man gemeinsam, rechtzeitig und vor allem persönlich über vorbereitende Hilfsangebote nachdenken. Oft empfehlen wir dann vorerst die Teilnahme am Familienschwimmen oder dem Mutter-Kind-Kurs, um das Kind an die Umgebung zu gewöhnen und den „Lösungsprozess“ gezielt voranzubringen.